Kommunikation & Sicherheit

Olaf Horbach

Grossraumbürobeschallung
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Das Projekt

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Grossraumbüro-Beschallung

    1. Allgemeines

    1.1 Bisherige Entwicklung

      Die Entwicklung des Baues von Büroräumen tendiert allgemein zum Großraumbüro, weil diese Form die größte Flexibilität in der funktionellen Zusammenfassung von Arbeitsgruppen und deren spätere evtl. erforderliche Umorganisation ermöglicht.

      Die bisher vielfältig geäußerte Abneigung gegenüber den Arbeitsbedingungen in einem Großraumbüro ist darauf zurückzuführen, dass anfänglich nur durch Fortlassen der Zwischenwände des herkömmlichen Kleinraumbüros ein ‘’grosser” Büroraum geschaffen wurde, ohne auf die damit entstandenen gegenseitigen Geräuschbelästigungen usw. ausreichend Rücksicht zu nehmen.

      Die neuere Technik des Großraum-Bürobaues sieht jedoch nunmehr in hohem Maße schalldämmende und schallabsorbierende Maßnahmen vor, die damit jedoch wieder andere, den Menschen auch erheblich störende Einflüsse zutage treten lassen.

    1.2 Bisher angewandte raum- und bauakustische Maßnahmen; deren Notwendigkeit und Nachteile

      In einem ungedämpften Großraumbüro würde der Geräuschpegel auf einen Wert von ca. 70 dBa ansteigen und somit belästigend und gesundheitsschädlich wirken. Durch Belegung des Fußbodens mit schallabsorbierendem Teppich werden die Laufgeräusche praktisch unterdrückt und eine Reflektion des Störschalles vermindert. Durch eine stark absorbierende Decke und durch Stellwände wird das Störgeräusch weitestgehend am Ort des Entstehens absorbiert. Man strebt heute eine Nachhallzeit von ca 0,5 Sek. an. Durch Schallabsorbierende Wirkung von Fußboden und Decke werden die vertikal von der Störquelle (Schreibmaschine, Telefonklingel, Gespräch, etc.) ausgehenden Schallwellen zwar weitestgehend absorbiert, die horizontalen Schallwellen können sich jedoch weiterhin normal ausbreiten; und zwar mit nur etwa 3-4 dB Lautstärkeabnahme je Entfernungsverdopplung.

      Eine Schreibmaschine, die in 1 Meter Entfernung etwa 65 dBa erzeugt, würde in 10 m noch einen Störpegel von 50-53 dBa verursachen!

      Durch Abhängung senkrechter Schotten von der Decke und Aufstellung von absorbierenden Trennwänden, möglichst nahe der Störquelle, kann die horizontale Dämpfung auf 5-8 dB je Entfernungsverdopplung erhöht werden, so dass damit das Störgeräusch der gleichen Maschine. bereits in 4 m Entfernung auf 50 dBa abgesunken ist.

      Das gleiche gilt sinngemäß für die menschliche Sprache.

      Die zur Störgeräuschbeseitigung an der Quelle selbst erforderlichen intensiven Raumakustischen Maßnahmen vermindern das Niveau des durchschnittlichen Störgeräusches aus Sprache, Büromaschine und Klimaanlage auf ca. 35-39dBa.

      Die impulsartigen Geräusche einer Schreibmaschine werden dabei jedoch auch noch in größerer Entfernung (12-14 m mit ca. 40 dBa) noch als störend empfunden. Noch wesentlicher ist aber die Störung durch Sprache. Durch das sehr niedrige, gedämfte Störgeräusch ist die Sprache noch in 10-12 m klar verständlich, d.h. der informative Inhalt der Gespräche an den Nachbartischen bis in 10 m Umkreis lenkt von der eigenen Arbeit ab.

      Sprache stört somit stärker durch Ablenkung als durch die Lautstärke.

      Eine weitere negative Begleiterscheinung ist, dass die oben erwähnte notwendige starke Dämpfung der Geräuschquellen beim Menschen den Eindruck erweckt, in einem "toten" Raum zu sitzen und dass einem die "Decke auf den Kopf fällt", was bei vielen Menschen eine permanenten Druck aufs Gemüt verursacht. Auf diesen letzten Effekt sind offensichtlich die meisten Klagen von Mitarbeitern auch in Raumakustik nach bisher neusten Gesichtspunkten ausgestatteten Großraumbüros zurückzuführen.

    2. Neue Erkenntnisse

    2.1 Zusätzlich erforderliche elektro-akustische Massnahmen

       Wie oben erwähnt, sind die markantesten störenden Merkmale:

      • Die gute Wahrnehmung auch in großer Entfernung von impulsartigen Geräuschen
      • Die zur Ablenkung führende Verständlichkeit der Sprache
      • Der Druck aufs Gemüt

      Zur Beseitigung dieser Effekte sind folgende Massnahmen erforderlich:

    2.2 Sprach-Maskierung durch Rauschen

      Die Wahrnehmung von Schallereignissen kann man bekanntlich dadurch unterdrücken, indem man sie mit anderen Geräuschen überdeckt, d.h. sie gehen in dem neuen Geräusch unter. Menschliche Sprache wird am effektivsten durch das Rauschen unverständlich gemacht, das sowohl in seinem Frequenzspektrum als auch in der Lautstärke der menschlichen Sprache entspricht (rosa Rauschen).
      In vielen Fällen hat man dies in Grossraumbüros dadurch bewerkstelligt, dass man die Klimaanlage an den Luftaustrittsöffnungen bewußt hat rauschen lassen. Frequenzspektrum und Lautstärke schwanken jedoch stark mit der Luftumwälzungsgeschwindigkeit, sind also unkontrollierbar.
      Über eine ELA-Anlage ist jedoch eine beliebige Anpassung in Lautstärke und Frequenzgang möglich.
      Als geeignete Geräuschquelle hat sich nach umfangreichen Untersuchungen ein elektronischer Rauschgenerator herausgestellt, der ein homogenes Rauschen, das so genannte “rosa Rauschen” erzeugt.

    2.3 Erforderliche Lautstärke des Maskierungsgeräusches

      Die in Ohrhöhe in dem Raum einzustellende Lautstärke des einzuspielende Geräusches richtet sich nach der zu maskierenden Störgeräusch Lautstärke.
      Die Lautstärke der menschlichen Sprache bei normaler Unterhaltung und beim Telefonieren beträgt in 1 m Entfernung etwa 60 dBa. Da an den Nachbararbeitstischgruppen, die in der Regel ca. 3,5-4 m entfernt von einander sind , die Sprache nicht mehr verständlich sein soll, muss die Lautstärke des Maskierungsgeräusches etwa der der störenden Sprache entsprechen.
      Bei 60dBa Lautstärke in 1 m Entfernung und bei einer Ausbreitungs-Dämfung von ca. 6dB je Entfernungsverdopplung beträgt die störende Sprachlautstärke in 4 m etwa 48 dBa, d.h. dass auch das Maskierungsgeräusch im ganzen Raum einheitlich auf 48 dBa eingestellt sein muss. Die in dieser Lautstärke eingespielten Geräusche werden in keiner Weise mehr als störend empfunden, sie werden in der Regel nicht einmal mehr wahrgenommen, da man sie in einem Grossraumbüro mit vielen Menschen erwartet.

    2.4 Das akustische Klima

      Zur Dämfung der Geräuschquellen am Entstehungsort ist eine starke Dämfung der Raumakustik erforderlich. Die dadurch zwangsläufig entstehende kurze Nachhallzeit vermittelt den Eindruck der tief hängenden Decke und bewirkt somit bei vielen Menschen einen Druck aufs Gemüt.
      Wird nun in einen solchen Raum das “rosa Rauschen” eingespielt, so wird die Decke “akustisch gehoben” und vermittelt ein angenehmeres Aufenthaltsklima. Man spricht daher auch vom so genannten akustischen Klima.
      Im Zusammenhang mit dem Maskierungsgeräusch gem. 2.2 werden somit mit der selben Lautsprecheranlage 2 Effekte erzielt.
      Bei richtiger Wahl des Geräusches und dessen Lautstärke lässt sich somit ein Optimum an Maskierung und Wohlbefinden erreichen, ohne dass die Mitarbeiter im Raum hiervon einen neuen “Störenfried” empfinden, im Gegenteil setzt beim plötzlichen Fehlen der Geräuscheinspielung ein eindeutiges Unbehagen ein.

    3.Technische Ausführung der Anlagen

    3.1 Lautsprecher

      Grundbedingung der Lautsprecher-Anordnung ist es, dass im Raum die Lokalisierung einzelner Lautsprecher als Schallquelle ausgeschlossen ist.
      Zur Erreichung eines solchen diffusen Schallfeldes sollten die Lautsprecher nach Möglichkeit stehend innerhalb der Zwischendecke montiert werden, so dass durch die waagerechte Abstrahlung durch Reflexionen innerhalb der Decke die Diffusität erhöht wird.
      Abstand, Leistung und Frequenzgang sind weitestgehend von den Baumaßnahmen und dem verwendeten Material abhängig und müssen in jedem Einzelfall errechnet werden.
      In Ausnahmefällen kann eine entsprechende Montage auch unter der abgehängten Decke erfolgen. Wie auch bei einer guten Stereo-Anlage darf der hierbei entstehende Abstand zweier Lautsprecher maximal nur so gross sein, dass die Basis zwischen ihnen nicht zerreisst. Das entspricht in der Praxis etwa 60° Öffnungswinkel vom Hörenden her gesehen. Je geringer die Deckenhöhe im Büro, um so dichter muss also das Lautsprecherraster sein, damit - von welchem Platz auch immer - der Winkel zwischen den nächstgelegenen Lautsprechern obige 60° nicht übersteigt. Bei einer Deckenhöhe von etwa 3 m und einer Ohrhöhe bei sitzenden Personen von ca. 1,3 m ergibt sich eine Differenz zwischen Ohrebene und Decke von 1,7 m, was auch praktisch dem erforderlichen maximalem Lautsprecherabstand entspricht; d.h. dass etwas je 3 m² ein Lautsprecher erforderlich ist.
      Das Frequenzband dieses Lautsprechers muss hierbei mindestens bis 50 Hz herunter reichen, da speziell die Tiefen einen wesentlichen Anteil an der Erzeugung eines Wohlbefindens haben.
      Die erforderliche Leistung ist hingegen relativ gering und mit 0,05 Watt je Lautsprecher anzusetzen.

    3.2 Verstärker

      Entsprechend der geforderten Qualität beim Lautsprecher muss auch der Verstärker eine einwandfreie Qualität gem. DIN 45 566 besitzen, da bei erhöhtem Klirrfaktor die Verzerrungen hörbar werden und sofort als störend empfunden werden.

    3.3 Geräusch-Generator

      Wie eingangs erwähnt, ist ein Rauschgenerator zur Erzeugung des Maskierungsgeräusches notwendig, der vollelektronisch und wartungsfrei arbeitet. Die Qualitätsanforderungen entsprechen denen der übrigen Anlage.

    3.4 Einstellung von Frequenzgang und Lautstärke

      Die Abstrahlbedingungen sind, bedingt durch die ständig verschiedenen raum- und bauakustischen Maßnahmen, sehr unterschiedlich und müssen daher in jedem Einzelfall meßtechnisch ermittelt werden.
      Verstärkerseitig ist daher eine entsprechende Filter- und Lautstärkeregelung erforderlich.
      Nach einmaliger Einmessung müssen die Einstellungen fixiert werden. Eine Veränderung wird nur bei organisatorischer oder baulicher Umstellung erforderlich.

    3.5 Lautstärke - Regelautomatik

      Ein bekannter störender Effekt bei Grossraumbüros war bisher die über den ganzen Tag technisch konstant gehaltene Temperatur, Luftfeuchte und Beleuchtung.
      Der menschliche Organismus ist jedoch für den in der Natur vorhandenen Wechselrhytmus geschaffen, d.h. er benötigt wie in der Natur die im Tagesablauf normalen Schwankungen, um natürlich zu reagieren. Konstante Verhältnisse sind unnatürlich und werden, wenn auch meist unbewusst; als störend empfunden.
      Auf das akustische Klima bezogen, bedeutet das, dass auch die Geräusch-Einspielung sich in gewissen Grenzen dem natürlichen Rhythmus anzupassen hat. Wenn morgens der erste Mittarbeiter den Grossraum betritt, ist nur er allein “Geräuschquelle”, d.h. die Geräuscheinspielung darf noch nicht funktionsfähig sein. Erst mit allmählicher Füllung und damit erhöhter, natürlicher Geräuschentwicklung muss auch der Pegel des eingespielten akustischen Klimas ansteigen, um dann z.B. während der Mittagszeit, wenn durch die sich überlappenden Pausenzeiten eine Personal-Verringerung im Büro auftritt, wieder abzusinken. Gleiches gilt für das Ende der Arbeitszeit. Für diese permanente optimale Pegelanpassung ist eine Steuerungsautomatik erforderlich, die entsprechend dem jeweiligen organisatorischen Ablauf eines Büros spezifisch programmiert werden muss, die aber auch bei Organisationsänderungen umprogrammiert werden kann.
      Sind in einem Gebäude verschiedene Abteilungen untergebracht, die von einander abweichende organisatorische Zeitabläufe aufweisen, so ist evtl. auch eine spezifische Anpassung der Geräusch-Struktur erforderlich.

    3.6 Zusätzlicher Nutzen

      Bei Erweiterung ist es neben der Nutzung als Maskierungs-Geräusch-Anlage möglich, diese auch als elekto-akustische Übertragungsanlage einzusetzen.
      Durch den Einbau von entsprechenden Steuergeräten in der Verstärkerzentrale kann z.B. die Übertragung von Alarmen und Rufdurchsagen zur Erfüllung von Sicherheitsanforderungen erfolgen, ebenso wie Pausenzeichen, Musikprogrammen usw.

    4.  Schlussbetrachtung

      Das Grossraumbüro ist bisher von den darin beschäftigten Mitarbeitern als “unangenehme” Arbeitsstätte bezeichnet worden. Beim Stand der derzeitigen Ausstattungs-Technik ist es offenbar noch stark mit der Hypothek des ungenügenden Ausbaus in früheren Jahren behaftet. Die Ablehnung beinhaltet also offenbar noch einen hohen Prozentsatz Voreingenommenheit.
      Werden jedoch zu den bisherigen Verbesserungen in Beleuchtung, Klimatisierung, Störgeräuschdämpfung usw. auch noch die Vorteile der akustischen Klimatisierung genutzt, so dürften die technischen Vorteile eines Grossraumbüros auch bald mit den menschlichn parallel laufen und für beide Seiten Vorteile bringen.
      In Amerika, das schon lange vor uns Grossraumbüros schuf, wurde parallel zum Begriff “Air-Conditioning” für die allgemeine Klimatisierung ein neuer wesentlicher Begriff für die akustischen Bedingungen geprägt:

      “ Sound - Conditioning ”

       

      Text aus: Akustisches Klima im Großraumbüro “PHILIPS Sound Conditioning System” (ca. 1988)

Olaf Horbach Kommunikation & Sicherheit
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